Rehabilitation

Website www.icu-diary.org

Es lohnt sich, ab und zu auf die Website www.icu-diary.org zu schauen, denn dort gibt es einige Vorlagen in verschiedenen Sprachen. Auch auf der Karte des Netzwerks sind einige neue Intensivstationen dazugekommen. Wenn Ihr etwas dazu beitragen möchtet, meldet Euch!

Tagebuchstudien

Kollaboratives Tagebuchschreiben

Torres et al. (2020) aus dem pazifischen Raum führten eine Pretest-Posttest-Kontrollgruppenstudie mit 134 PatientInnen > 24h in zwei  Intensivstationen durch. PatientInnen wurden randomisiert verteilt und erhielten in der Interventionsgruppe ein Tagebuch oder als PatientInnen in der Kontrollgruppe kein Tagebuch. Alle PatientInnen machten einen Vortest am zweiten Tag der auf der Intensivstation und einen Posttest einen Monat nach der Entlassung mit der Impact of Event Scale-Revised. Das Personal und die BesucherInnen wurden von den Forschern geschult. Die PatientInnen wurden auch eingeladen, sich an ihren Tagebüchern zu beteiligen. Eine Richtlinie wurde verwendet, um die AutorInnen des Tagebuchs anzuweisen:

„Das Tagebuch ist ein Ordner, in dem der Patient/die Patientin, die Familie, BesucherInnen und das medizinische Personal schreiben oder allgemeine Bilder bereitstellen können. Bitte geben Sie Folgendes an:

  1. Datum und Uhrzeit der Eingaben.

  2. Für medizinisches Personal, identifizieren Sie Ihre Rolle (z. B. Krankenpflegende/r, Arzt/Ärztin, AtemtherapeutIn, DiätberaterIn, ApothekerIn, PhysiotherapeutIn).

  3. BesucherIn können ihre Namen angeben.

  4. Bitte verwenden Sie nichtmedizinische Terminologie, vermeiden Sie Jargon und verwenden Sie gemeinsame Wörter, die ein Achtklässler verstehen würde.

  5. Beispiele für Inhalte sind Ereignisse, Beobachtungen, gute Wünsche.

  6. Der PatientIn kann über Gefühle, Gedanken, Erinnerungen schreiben.

  7. Vermeiden Sie das Schreiben vertraulicher Informationen."

Im Ergebnis konnten 134 PatientInnen analysiert werden. PatientInnen mit einem Tagebuch hatten nach einem Monat signifikant weniger PTSD-Symptome als PatientInnen ohne Tagebuch (Tagebuch 5/63 vs. übliche Pflege 30/36, p<0.001). Gründe dafür, das Tagebuch nicht zu lesen, waren Müdigkeit, Schmerzen, viele Tests und Schlafstörungen. Vier von fünf PatientInnen lasen oder schrieben in das Tagebuch, 60% der PatientInnen schrieben 1-5 mal in das Tagebuch, die Mehrheit stufte das Tagebuch als lohnend ein. Die AutorInnen weisen darauf hin, dass dieses kollaborative Tagebuch, in dem PatientInnen während des Aufenthaltes aktiv mitschreiben, in diesem Maße neu ist. Es könnte PatientInnen helfen, ihren Aufenthalt und ihren Fortschritt während der Rehabilitation zu bewältigen und zu reflektieren. Sehr interessant und vielversprechend!

Torres L, Nelson F, West G. Original Research: Exploring the Effects of a Nurse-Initiated Diary Intervention on Post-Critical Care Posttraumatic Stress Disorder. Am J Nurs. 2020; 120(5): 24-33. doi: 10.1097/01.NAJ.0000662804.81454.66.

Jannik’s Tagebuch

Brigitte Teigeler (2020) hat eine berührende Fallbeschreibung von Jannik veröffentlicht, für den auch Tagebücher geschrieben worden sind. Jannik war 19 Jahre alt, als er beim Fußballspielen ein schweres Schädelhirntraum erlitt und anschließend 4 Wochen bewusstlos auf der Intensivstation verbrachte. Seine Freundin und Familie schreiben für ihn Tagebücher. Als Jannik wieder zu sich kam, konnte er zunächst nicht verstehen, was geschehen war. Auch mit dem Tagebuch konnte er zunächst nichts anfangen, ein Gespräch mit einer Psychologin in der Rehaklinik lehnte er ab. Sein Zusammenbruch kam zwei Jahre später, als er versuchte eine neue Ausbildung zu beginnen. Er begann wegen Depressionen und einer Posttraumatischen Belastungsstörung eine Therapie. Er fing in der Zeit an, in den Tagebüchern zu lesen und seine Erfahrungen aufzuarbeiten: „,Gerade wenn es mir schlecht ging und ich mich wertlos gefühlt habe, habe ich ganz viel darin gelesen.‘“ Jannik ist überzeugt, dass das ein wichtiger Baustein war, dass es ihm heute besser geht. Heute geht er unter anderem in Pflegeschulen und berichtet dort von seinen Erfahrungen: „,Man kann durch so eine harte Geschichte gut durchkommen, aber das geht nur über den Weg der Verarbeitung und Erinnerung.‘“ Janniks Geschichte zeigt, dass Vermeidung zu den Symptomen einer PTBS gehört und auch er wollte sich zunächst nicht mit seinen Erfahrungen auseinandersetzen. Dass er erst zwei Jahre nach dem Trauma damit beginnt, mag spät erscheinen, weist aber auch auf die Schwierigkeit hin, die sich in Studien stellt: die PatientInnen, die am meisten von Tagebüchern profitieren könnten, lehnen sie (zunächst) ab oder lesen sie erst, wenn eine Studie längst vorüber ist. Langzeituntersuchungen wären hier interessant. Janniks Geschichte zeigt, wie komplex Rehabilitation für einzelne Personen ist. Jannik, wir danken Dir und wünschen Dir weiter alles Gute!

Teigeler B: Zurück ins Leben. Die Schwester Der Pfleger 2020, 7(59): 18-22.

Tagebücher in der Psychiatrie?

Einen interessanten Vergleich ziehen Üzar-Özcetin und KollegInnen zwischen dem Erleben einer kritischen Erkrankung und einer akutpsychiatrischen Behandlung, die häufig aufgrund einer Störung aus dem schizophrenen Formenkreis erforderlich ist. Beide PatientInnengruppen sind ähnlichen Stressoren wie Lärm, Licht, unnatürlicher Umgebung, Unterbrechungen des Tag-Nacht-Rhythmus sowie physiologischen Beschränkungen unterworfen. Daher seien auch die Themen, die die PatientInnen nach der intensivmedizinischen bzw. psychiatrischen Behandlung verarbeiten müssen, ähnlich. Anders als kritisch kranke PatientInnen könnten aber die psychisch erkrankten ihre Tagebücher selbst schreiben. Die Tagebücher könnten so zu einem Dialog zwischen dem Behandlungsteam, den PatientInnen und deren Familien beitragen, indem Erfahrungen und Wahrnehmungen miteinander geteilt werden. Des weiteren könnten die Tagebücher hilfreich sein um der psychiatrischen Behandlung einen anderen Bedeutungsrahmen zu verleihen. Ein schöner Impuls aus der Intensivmedizin für die akutpsychiatrische Versorgung!

Üzar-Özçetin YS, Trenoweth S, Clark LL, Hext G, Tee S. Could therapeutic diaries support recovery in psychiatric intensivecare? British Journal of Mental Health Nursing. 2020.

Andere relevante Studien

Intensive Care Psychological Assessment Tool (IPAT)

Das IPAT ist ein validiertes Screening-Tool zur Beurteilung psychischer Symptome bei kritisch kranken PatientInnen. Deffner et al (2020) übersetzten das Tool ins Deutsche und testeten es bei 90 IntensivpatientInnen. Im Ergebnis war die interne Konsistenz geringer als in der englischen Originalversion. Die Validität war für depressive und Angstsymptome gegeben. Ein Drittel der PatientInnen überschritt die Grenzwerte und galt als RisikopatientInnen für ein erhöhtes Risiko psychischer Folgebelastungen.

Deffner T, Schönle J, Neyer FJ, Schulze J. Erfassung des psychischen Befindens von Patienten auf der Intensivstation : Vorschlag für eine deutsche Version des Intensive Care Psychological Assessment Tool. Med Klin Intensivmed Notfmed. 2020; 115(2): 140-147. doi: 10.1007/s00063-019-0537-z.

Kinder als BesucherInnen

Eine Umfrage unter 446 Pflegenden in den USA über Kinderbesuche in Erwachsenen-Intensivstationen ergab inkonsistente Ergebnisse: 68% der Pflegenden haben Bedenken, Kinder als BesuchInner zuzulassen. Bei Pflegenden mit Master-Abschluss war es zweimal so wahrscheinlich, dass sie Kinder willkommen heißen. Allgemein waren Besuche durch Kinder eher erlaubt, wenn ein PatientIn ein Elternteil der Kinder war, die PatientInnen schwer krank oder im Sterben lagen.

Desai PP, Flick SL, Knutsson S, Brimhall AS. Practices and Perceptions of Nurses Regarding Child Visitation in Adult Intensive Care Units. Am J Crit Care. 2020;29(3):195-203. doi:10.4037/ajcc2020370.

Familienzentrierte Betreuung während Covid-19

Hart et al (2020) veröffentlichten eine ausgezeichnete Übersichtsarbeit über familienzentrierte Pflege während Covid-19 und isolierte PatientInnen und Familien. Die damit verbundenen Bedingungen erfordern eine Anpassung der Besuchsregelungen und der familienzentrierten Verfahren, die die Routinen und Einstellungen der ÄrztInnen in Frage stellen. Selbst neue Technologien können die Kommunikation zwischen PatientInnen und Familien verbessern, aber Familien mit fehlenden Ressourcen gefährden. Mehrere Strategien wie der Zugang zu Krankenhaus-eigenen Smartphones, kostenlose Prepaid-Karten, Übersetzungsdienste, spezialisierte HelferInnen und andere können helfen, die Barrieren anzupassen und zu überwinden.

Hart JL, Turnbull AE, Oppenheim IM, Courtright KR, Family-Centered Care During the COVID-19 Era, Journal of Pain and Symptom Management (2020).

Psychiatrische und neuropsychiatrische Störungen im Zusammenhang mit Covid-19

Rogers et al. (2020) führten eine systematische Literaturrecherche durch, um die psychiatrischen und neuropsychiatrischen Probleme abzuschätzen, die mit dem schweren akuten Atemwegssyndrom (SARS) im Jahr 2002 und dem Middle East Respiratory Syndrom (MERS) ab 2012 und Covid-19 verbunden sind. Im Ergebnis konnten 65 Studien und 7 Manuskripte aufgenommen werden, die insgesamt 3.559 PatientInnen zusammenfassten. Während der kritischer Erkrankungen gab es delirante Zustände bei 27,9% (95%CI 20,5-36), Depression 32,6% (24,7-40,9) und Angst 35,7% (6-44,2). Nach der Intensivstation betrug die Prävalenz der PTSD 32,2% (23,7-42), Depression 14,9% (12,1-18,2), Angst 14,8% (11,1-19,4). Drei Viertel kehrten nach drei Jahren wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Diese Zahlen sind hoch und vergleichbar mit denen anderer PatientInnen mit ARDS oder Sepsis.

Rogers JP, Chesney E, Oliver D, et al. Psychiatric and neuropsychiatric presentations associated with severe coronavirus infections: a systematic review and meta-analysis with comparison to the COVID-19 pandemic. Lancet Psychiatry. 2020; 7(7): 611-627. doi: 10.1016/S2215-0366(20)30203-0.

Psychologische Interventionen bei COVID-19: Studienprotokoll

Renjun und KollegInnen untersuchen in einem systematischen Review und einer Metanalyse die Wirksamkeit psychologischer Interventionen bei COVID-19. Als primäre Outcomes sollen die Zeitspanne bis zur Genesung sowie die Effektstärken fungieren. Sekundäre Outcomes sind Veränderungen des physischen und psychischen Wohlbefindens. Unklar ist aktuell wie psychologische Interventionen in der Metanalyse definiert sowie wann und durch den diese bei welchen PatientInnengruppen (ICU/nonICU) durchgeführt werden. Wir werden die Studie nach deren Publikation vorstellen und diskutieren.

Renjun G, Ziyun L, Xiwu Y, et al. Psychological intervention on COVID-19: A protocol for systematic review and meta-analysis. Medicine (Baltimore). 2020; 99(21): e20335. doi: 10.1097/ MD.0000000000020335.

Namen und Zahlen

In einem Brief an den Herausgeber des Journal of the Intensive Care Society von Imbriaco & Monesi aus Italien heißt es: "Selbst in einer kritischen Situation, mit unglaublicher Arbeitsbelastung und begrenzten Ressourcen, sollten medizinische Fachkräfte in ihren Bemühungen weitermachen, die Würde der PatientInnen zu erhalten und die Menschlichkeit auf die Intensivstation zu aufrecht zu halten. Auch wenn es schwierig ist, dürfen wir nicht zulassen, dass PatientInnen zu Zahlen werden." Ausgezeichnete Aussage!

Imbriaco, G., & Monesi, A. (2020). Names and numbers: How COVID-19 impacted on de-humanization of ICU patients. Journal of the Intensive Care Society.

Kompetente Betreuung

Edeer et al (2020) aus der Türkei machten eine Querschnittsstudie mit 100 thorakalen und kardiovaskulären IntensivpatientInnen und fragten sie nach ihren Erfahrungen. Die PatientInnen machten eine Menge belastender Erfahrungen, vor allem, wenn sie beatmet wurden. Die PatientInnen erlebten Gefühle der Hilflosigkeit, Unsicherheit und Angst. Im Gegensatz dazu fühlten sie sich besser, wenn sie das Gefühl hatten, verstanden zu werden. Eine positive Emotion war, dass sie auf der Intensivstation keine Angst mehr vor dem Tod hatten. Die AutorInnen schlussfolgerten: „Die berichteten körperlichen Beschwerden und negativen Emotionen können durch kompetente Pflege reduziert oder gelindert werden."

Edeer AD, Bilik Ö, Kankaya EA. Thoracic and cardiovascular surgery patients: Intensive care unit experiences. Nurs Crit Care. 2020; 25(4): 206-213. doi: 10.1111/ nicc.12484.

PartnerIn sein

Auch Partner von Intensivpatienten sind von der kritischen Krankheit betroffen. Es kann ein lebensveränderndes Ereignis sein. Nelderup & Samuelson (2020) aus Schweden interviewten sechs PartnerInnen von IntensivpatientInnen und fragten sie nach ihren Erfahrungen und ihrem Bedarf an Unterstützung. Nach der Analyse der Interviews identifizierten die Autoren drei Hauptkategorien:

a) Im Chaos, wenn der/die PartnerIn auf der Intensivstation ist: PartnerIn hatten Angst den PatientInnen zu verlieren, versuchten sich auf den/die PartnerIn zu konzentrieren und sich selbst beiseite zu schieben. „(...) Ich hatte damals so viel Angst, ihn zu verlieren. Ich war sehr erschrocken! Und niemand konnte mich aufmuntern, weil sie sagten, es sei ernst. Aber ich habe das verstanden (...) denn wenn man auf die Intensivstation kommt, ist es ernst.";

b) Derjenige zu sein, auf den alle angewiesen sind: nachdem die PatientInnen eine kritische Krankheit überlebt hatte, wurden sie nach Hause entlassen und der/die PartnerIn war für alles verantwortlich und erlebte Erleichterung und Angst: „Dann hatte ich zu Tode geängstigt, als er nach Hause kam. Nein, sagte ich! Niemals in meinem Leben. Ich kann das nicht schaffen und was, wenn er zu Boden fällt?";

c) Das Leben geht nach der Intensivstation weiter: PartnerInnen und ehemalige PatientInnen brauchten Zeit für die Genesung, erlebten Unterstützung von anderen und hatten eine positive Einstellung: „Es ist eine große Verbesserung und jeder, der sie sieht, fragt sich: Warst du krank? Sie können nicht glauben, dass sie krank war." Die PartnerInnen schätzten Nachsorgebesuche und Tagebücher: „Die TeilnehmerInnen empfanden die Nachsorgebesuche als sehr wichtig, und sie schätzten die Fotos und das Tagebuch, die im Genesungsprozess von Bedeutung waren. Im Tagebuch zu schreiben und Fotos zu machen, sollte wegen seiner Bedeutung für die Angehörigen danach Priorität haben. "

Nelderup M, Samuelson K. Experiences of partners of intensive care survivors and their need for support after intensive care. Nurs Crit Care. 2020; 25(4): 245-252. doi: 10.1111/ nicc.12458.

Schlüsselkomponenten von Rehabilitationprogrammen

Was sind die wichtigsten Komponenten eines erfolgreichen Rehabilitationsprogramms aus Sicht der PatientInnen, und wie sollten diese organisiert werden? McPeake et al (2020) führten eine qualitative Interviewstudie in den USA, Großbritannien und Australien durch und befragten 66 PatientInnen aus 14 Krankenhäusern, von denen 52 ein Reha-Programm besuchten, 14 nicht. Im Ergebnis wurden die Rehabilitationsprogramme der Intensivstation von den PatientInnen als erfolgreich angesehen, wenn sie folgende Komponenten enthielten:

1) Kontinuität der Versorgung ohne Unterbrechungen und eine zentrale Person, die für die Koordination der Reha von der Intensivstation bis nach Hause zuständig ist;

2) Verbesserung des Symptomstatus inkl. psychosozialer, physischer und beruflicher Aspekte;

3) Normalisierung und Management der Erwartungen inkl. Information, Bildung und Peer Support;

4) Interne und externe Validierung des Fortschritts inkl. Besuch der Intensivstation und Peer-Support; und

5) Verringerung von Schuldgefühlen und Hilflosigkeit, inkl. Unterstützung von Betreuern und Neukalibrierung des Selbstverständnisses. PatientInnen, die ein Tagebuch haben, würden ihre Rehabilitation unterstützen: „Es wäre wirklich gut für die Menschen, die Familie, die Betreuer zu führen, eine Art Tagebuch zu führen.”

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass zukünftige Studien diese Aspekte berücksichtigen sollten, um eine bestmögliche patientInnenzentrierte Versorgung zu gewährleisten.

McPeake J, Boehm LM, Hibbert E, et al. Key Components of ICU Recovery Programs: What Did Patients Report Provided Benefit?. Crit Care Explor. 2020; 2(4): e0088. Published 2020 Apr 29. doi: 10.1097/ CCE.0000000000000088.

Welche Informationen benötigen PatientInnen?

Vlake et al (2020) aus den Niederlanden fragten sich, welche Mechanismen bei kritischen Krankheiten psychologische Folgen verursachen und ob spezifische Interventionen wie Informationsbroschüren, Tagebücher, Nachsorgebesuche oder andere sie alle behandeln könnten. Sie untersuchten 43 Überlebende der Intensivstation. Die Mehrheit (59%) hatte psychische Beeinträchtigungen (PTSD, Depression) und drei Viertel baten um weitere Informationen. Ein Drittel würde gerne durch eine Informationsbroschüre mehr Informationen erhalten; 71 % wünschten sich einen Videofilm oder eine virtuelle Realität. 33 % waren mit den Informationen ihres Krankenhauses zufrieden. Die AutorInnen schlussfolgern, dass Videos nach der Intensivstation für Überlebende hilfreich sein könnten, aber diese Intervention würde mehr Forschung erfordern.

Vlake JH, van Genderen ME, Schut A, et al. Patients suffering from psychological impairments following critical illness are in need of information. J Intensive Care. 2020; 8:6. Published 2020 Jan 9. doi: 10.1186/ s40560-019-0422-0.

Leichte Sedierung

Noguchi et al. (2020) aus Japan führten eine sekundäre Analyse von Umfragedaten von 405 ehemaligen IntensivpatientInnen durch und untersuchten das Vorhandensein von verzerrten Erinnerungen und relevanten Faktoren. Fast die Hälfte der PatientInnen hatte keine Erinnerungen an die Intensivstation, aber dies wurde meist nicht als belastend empfunden. Wahnhafte Erinnerungen waren selten und dann schwer zu verstehen. Das Alter der PatientInnen sowie die Dauer der Beatmung waren mit mehr Gedächtnisstörungen verbunden. Die AutorInnen schlussfolgern, dass es interessant wäre zu wissen, „welche Art von Intensivversorgung die Wahnvorstellungen der PatientInnen reduzieren kann?" Gute Frage!

Noguchi A, Hosokawa K, Amaya F, Yokota I. Factors related to memory absence and delusional memories in patients in intensive care units managed with light sedation. Intensive Crit Care Nurs. 2020; 59: 102830. doi: 10.1016/ j.iccn.2020.102830.

Wie kann das PICS nach intensivmedizinischer Behandlung erfasst werden?

Spies und Kollegen aus Deutschland schlagen nach einem Konsensusprozess valide und praktikable Verfahren für ein kurzes Screening der psychischen Gesundheit (Patient Health Questionnaire-4), der kognitiven Leistung (MiniCog, AnimalNaming), der körperlichen Funktionsfähigkeit (Timed Up-and-Go) sowie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei ehemals kritisch kranken PatientInnen vor. Das Screening dauert ca. 20 Minuten und kann das subjektive psychische und physische Wohlbefinden sowie eine Veränderung des Wohlbefindens verglichen mit dem Zeitpunkt vor der intensivmedizinischen Behandlung erfassen. Die Inzidenz sowie die Ausprägung von PICS-Symptomen kann mithilfe der Testverfahren im ambulanten Setting oder einer spezialisierten ICU-Nachsorgeklinik erfasst werden. Eine ausführlichere Diagnostik schließt sich dem Screening an, sofern PatientInnen einen Cut-Off-Wert überschritten haben, also überhalb einer vorab definierten Belastungsgrenze liegen. Die Autoren schlagen ein grundsätzlich praktikables Set an kurzen Screeningverfahren vor. Zu beachten ist, dass die genannten Verfahren meist nur ein Teil einer validen Diagnosestellung sind und das PICS aktuell als Syndrom verstanden wird und keine Diagnose darstellt.

Spies, C. D., Krampe, H., Paul, N., Denke, C., Kiselev, J., Piper, S. K., … Weiss, B. (2020). Instruments to measure outcomes of post-intensive care syndrome in outpatient care settings – Results of an expert consensus and feasibility field test. Journal of the Intensive Care Society.

Verfasst von:

Dr. Teresa Deffner, Dipl.-Rehapsych. (FH), Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena

Dr. Peter Nydahl, RN MScN, Pflegeforschung; Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel

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