Soziale Gesundheit

Studien zum Intensivtagebuch

Tagebücher in der Pädiatrie

Intensivtagebücher auf pädiatrischen Intensivstationen werden hauptsächlich von Eltern und MitarbeiterInnen geschrieben. Sansone et al (2021) aus Italien analysierten 13 Tagebücher, die für kritisch kranke Kinder mit Beatmung >48h geschrieben wurden. Die HauptautorInnen waren Mütter und Fachpflegende, aber auch Freunde. Die meisten Einträge beinhalteten Text, einige auch Bilder und Fotos. Die durchschnittliche Anzahl der Einträge betrug 16 pro Tagebuch. In den Tagebüchern konnten drei Hauptthemen identifiziert werden: a) Soziale und spirituelle Unterstützung: Angehörige nutzen das Tagebuch, um sich selbst und anderen Mut zuzusprechen und zu unterstützen, Unterthemen waren „Familie und FreundInnen", soziale Unterstützung und Anregung, Resilienz geben, und „Glaube und Gebet", um innere Stärke zu geben; b) Emotionen, Gefühle und Not der Bezugsperson, bestehend aus „Sehnsucht nach der Beziehung zum Kind" durch das Schreiben eines Tagebuchs. Eine Mutter schrieb: „Ich bin da und ich bin sicher, dass du dies wahrnimmst", und ein anderes Unterthema war „Schmerz, Angst und Hoffnung" für Eltern, die widersprüchliche Emotionen erlebten; und c) Leben auf der Intensivstation, einschließlich Beschreibungen der täglichen Intensivroutine, geschrieben von Eltern und / oder Personal. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss: „Tagebücher sind wertvoll, um eine familienzentrierte Pflege zu erleichtern, indem sie einen Raum für die schriftliche Darstellung der Aufnahme des Kindes durch Eltern, andere BesucherInnen und Mitarbeitende bieten". Wunderbar!

Sansone V, Cancani F, Gagliardi C, Satta T, Cecchetti C, de Ranieri C, Di Nardo M, Rossi A, Dall'Oglio I, Alvaro R, Tiozzo E, Gawronski O. Narrative diaries in the paediatric intensive care unit: A thematic analysis. Nurs Crit Care. 2021 Jul 13. doi: 10.1111/ nicc.12680.

Tagebücher für den Trauerprozess

Tagebücher werden in der Regel geschrieben, um die Genesung von PatientInnen und Familien zu unterstützen. Tagebücher können auch geschrieben werden, um den Trauerprozess zu verbessern, wenn PatientInnen sterben. Galazzi et al (2021) führten eine systematische Literaturrecherche in mehreren Datenbanken durch, um Studien zu identifizieren, die einen Zusammenhang zwischen Tagebüchern und dem Trauerprozess von Familien verstorbener, erwachsener PatientInnen berichteten. Als Ergebnis konnten sechs Studien eingeschlossen werden. Tagebücher sind für Familien hilfreich. Sie dienen als Hilfe bei dem Verstehen der schweren Krankheit, spenden Trost und helfen Familien bei der Bewältigung des Prozesses. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass das Schreiben von Tagebüchern eine große Hilfe für den gesamten Prozess sein kann, aber es mehr Forschung erfordert, um die Rolle des Tagebuchs zu verstehen.

Galazzi A, Adamini I, Bazzano G, Cancelli L, Fridh I, Laquintana D, Lusignani M, Rasero L. Intensive care unit diaries to help bereaved family members in their grieving process: a systematic review. Intensive Crit Care Nurs. 2021 Aug 6: 103121.

Tagebücher zur Kommunikation während Covid-19

Während eingeschränkter Besuchsrichtlinien kann das Schreiben eines Tagebuchs als Hilfe für Familien dienen. Haruna et al. (2021) befragten die Familien von zwei männlichen Patienten mit Covid-19-Infektion. Das Tagebuch wurde von Fachpflegenden geschrieben. Familien wurden vor und nach der Übergabe des Tagebuchs befragt. In der Folge änderten sich die Bedürfnisse der Familien ein wenig. Bevor sie das Tagebuch lasen, waren die Familien ängstlicher und hatten Schwierigkeiten, den medizinischen Informationen zu folgen. Das Lesen eines Tagebuchs gefiel ihnen, Fotos halfen ihnen, die Situation der Patienten zu verstehen, besonders die Patienten auf einem Stuhl sitzend zu sehen, war überraschend positiv. Ein Tagebuch kann somit ein Mittel zur Kommunikation darstellen. Ein Tagebuch kann ein hilfreiches Werkzeug sein, wenn ein Besuch nicht möglich ist.

Haruna J, Tatsumi H, Kazuma S, Kuroda H, Goto Y, Aisaka W, Terada H, Masuda Y. Using an ICU Diary to Communicate With Family Members of COVID-19 Patients in ICU: A Case Report. J Patient Exp. 2021 Jul 28; 8:23743735211034094.

Das Tagebuch für meinen Partner

Kristin Gabriel hat ihren langjährigen Partner nach einer schweren Erkrankung auf der Intensivstation verloren. Sie hat ihre Gedanken, Gefühle und Erfahrungen in einem Tagebuch notiert und verarbeitet: „Das Schreiben gab mir das Gefühl, einen Beitrag zu seiner Genesung leisten zu können. Ohne es bewusst zu merken, vermittelte mir das Tagebuchschreiben eine Form von Hoffnung, Beständigkeit und Sicherheit und half mir, diese unbeschreiblich intensive Zeit zu reflektieren.” Sie erlebt das Tagebuch als besondere Hilfe, möchte die Arbeit damit unterstützen und hilft uns dabei.

Relevante Studien

Sich selbst finden

Vester et al (2021) aus Dänemark führten eine qualitative Studie mit zwölf Intensivüberlebenden und sieben Angehörigen durch, um ihren Alltag nach der Intensivstation zu erkunden. Die ForscherInnen fanden ein Hauptthema: Sich selbst finden nach einer kritischen Krankheit. Dieses Thema hatte drei Unterthemen: 1) sich neu definieren: lebensverändernde Erfahrungen veränderten auch das Selbst, das sich vom Selbst vor der Intensivstation unterschied. Ein Patient sagte: "Wer bin ich? Ich weiß es nicht. So lange krank und abhängig zu sein, ist Teil dessen geworden, wer ich heute bin"; 2) re-integrieren mit der Familie: Familien und PatientInnen haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht und die Wiedereingliederung ist eine Herausforderung, aber am Ende äußerst hilfreich. Zitat eines Patienten „Eine Familie zu haben ist so wichtig. Ich könnte das nicht ohne sie tun"; 3) Den Alltag bewältigen: Ein Patient wies darauf hin, dass die ganze Familie von einer kritischen Krankheit betroffen sei: „Die Pflegenden betonten, dass wir als Familie von der Erfahrung betroffen seien. Nach der Entlassung konzentrierte man sich jedoch ausschließlich auf meine Probleme, und unsere Probleme waren nie damit verbunden, dass wir alle eine kritische Krankheit erlebt hatten." Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass die Reintegration als Teil von PICS betrachtet werden sollte und Rehabilitationsstrategien sowohl an PatientInnen wie auch Angehörigen mit multiplen Gesundheitsproblemen gerichtet sein sollten.

Vester LB, Holm A, Dreyer P. Patients' and relatives' experiences of post-ICU everyday life: A qualitative study. Nurs Crit Care. 2021 Jul 13.

Das Leben stabilisieren

Vogel et al (2021) aus Schweden führten eine ähnliche Studie wie Vester durch und entwickelten nach Interviews mit 13 Überlebenden eine Theorie, die auf der Grounded Theory basiert. „Das Leben stabilisieren" erklärt, wie PatientInnen Bedenken erleben und überwinden. Die Hauptprozesse sind die Rückeroberung des Lebens, die Umkodierung des Lebens und das emotionale Gleichgewicht. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass Genesung ein Prozess der Überwindung von Herausforderungen ist, um die Kontrolle über das eigene Leben wiederzuerlangen. Die Theorie kann als Grundlage für die Entwicklung weiterer Interventionen dienen.

Vogel G, Joelsson-Alm E, Forinder U, Svensen C, Sandgren A. Stabilizing life: A grounded theory of surviving critical illness. Intensive Crit Care Nurs. 2021 Dec; 67:103096.

Psychologischer Dienst

Langsam, sehr langsam steigt die Zahl der psychologischen Dienstleistungen in der Intensivmedizin. Beadman et al. (2021) entwickelten ein Modell für den psychologischen Dienst, das in der psychologischen Theorie verwurzelt ist. Das Modell umfasst einen stationären Dienst mit Screening und Bewertung von psychischen Risiken, direkte stationäre Interventionen wie psychologische Erste Hilfe oder kognitive Verhaltenstherapie; indirekte stationäre Interventionen wie das Schreiben von Tagebüchern, Beratung, Förderung des ABCDEF-Bündels; Nachsorge nach der Intensivverlegung auf Stationen oder in Kliniken sowie Gesundheit und Wohlbefinden des Personals, einschließlich sozialer Unterstützung, Förderung des Wohlbefindens und andere Maßnahmen. Intensivmedizin ist schwierig für PatientInnen, Familien und MitarbeiterInnen. PsychologInnen machen es ein bisschen einfacher.

Beadman M, Carraretto M. Key elements of an evidence-based clinical psychology service within adult critical care. Journal of the Intensive Care Society; Sept. 2021.

PatientInnen- und Familienengagement in der Intensivmedizin

Diese Übersichtsarbeit ist eine Reflexion aus der Perspektive von Betroffenen über das Engagement von PatientInnen und Familien bei kritischen Erkrankungen. Der Bericht enthält einen Überblick über 50 Jahre familienzentrierte Versorgung, die Herausforderungen der aktiven Einbindung von PatientInnen und Familien in der Intensivmedizin, die Einrichtung von Selbsthilfegruppen und die Bewältigung der Pandemie.

Misak C, Herridge M, Ely EW, Clay A, Mikkelsen ME. Patient and Family Engagement in Critical Illness. Crit Care Med. 2021 Sep 1; 49(9): 1389-1401.

Familienfreundliche Intensivstation

Familien werden heutzutage als wichtiger Bestandteil der Intensivtherapie angesehen, vgl. das sog. abcdef-Maßnahmenbündel, wobei „f“ für familienfreundliche Versorgung steht. Doch wie sieht es auf den Stationen aus? Eine Forschungsgruppe um Maria Brauchle ist der Frage nachgegangen, in welchem Umfang eine familienfreundliche Versorgung im Intensivbereich in Deutschland, Luxemburg, Österreich und Schweiz angeboten wird. Hierzu wurden vor Covid-19 alle 1.943 Intensivstationen in den deutschsprachigen Ländern per E-Mail angeschrieben, inkl. pädiatrischer, gemischter und Erwachsenen-Intensivstationen. Im Ergebnis haben 385 ITS geantwortet, die meisten davon in Deutschland (39%, n=151) und im Erwachsenenbereich (73%, n=280). 42% der antwortenden ITS bieten offene Besuchszeiten an, hiervon signifikant mehr in der Pädiatrie: 79,2% vs Erwachsenenbereich: 21,3%, p<0.001, ebenso signifikant mehr in Deutschland (50%) vs Österreich (27%) vs Schweiz (29%), p<0.001. 68% der ITS sind offen für Kinder als BesucherInnen, d.h. es können Kinder ab 0 Jahren zu Besuch, mit signifikanten Unterschieden zwischen Pädiatrie vs Erwachsenen ITS (90% vs 62%, p<0.001). Bei Stationen mit Restriktionen ist die untere mediane Altersgrenze 12 (mittlere 50%: 7-14) Jahre. Familienfreundliche Interventionen, die in vollem Umfang umgesetzt wurden, waren vor allem: 43% der ITS integrieren Angehörige in die Pflege, 26% schreiben Tagebücher, 21% bieten strukturierte Gespräche mit Angehörigen an, 13% gestatten die Gegenwart von Angehörigen während Reanimationen, 12% erlauben die Gegenwart von Angehörigen bei Visiten. Einschränkend muss erwähnt werden, dass eine Teilnahme durch besonders familienfreundliche Stationen wahrscheinlich ist und die Daten daher nicht repräsentativ sind.

Brauchle M, Nydahl P, Pregartner G, Hoffmann M, Jeitziner MM, Practice of Family-centred Care in Intensive Care Units before the COVID-19-Pandemic: a cross-sectional analysis in German-speaking countries, Intensive & Critical Care Nursing (2021).

Auswirkungen eingeschränkter Besuchsrichtlinien

Die Covid-19-Pandemie führte in vielen Krankenhäusern zu eingeschränkten Besuchsrichtlinien. Moss et al (2021) führten hierzu eine Literaturrecherche durch und identifizierten 155 Arbeiten, von denen 66 direkte Forschungsarbeiten waren. Es wurden viele verschiedene Parameter untersucht. Eingeschränkte Besuchsrichtlinien hatten bei jeder fünften Person (PatientInnen, Familien, MitarbeiterInnen) Wirkungen.  Dies betraf bei PatientInnen, Familien und MitarbeiterInnen unter anderem das Coping, die Bewältigung täglicher Aufgaben und ebenso häufig die psychische Gesundheit. Beispiele für gemessene Auswirkungen sind Delir, Angstzustände, Depressionen, Trauer, Burnout, PTBS, Lebensqualität, Genesung, Versorgungsqualität nach Entlassung und andere. Die TeilnehmerInnen berichteten in 69% über einen erhöhten Bedarf an Bewältigung und Unterstützung, 69% nach mehr Verbundenheit und Kommunikation, 65% mussten mehr auf sich achten. Es wurden 87 Ansätze identifiziert, um die Auswirkungen eingeschränkter Besuchspolitiken zu bewältigen. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass eingeschränkte Besuchsrichtlinien einen weitreichenden Einfluss auf PatientInnen, Familien und Kliniken haben, aber mehr Forschung erforderlich ist, um die potenziellen Vorteile und Schäden zu bewerten. Perspektiven von PatientInnen, Familien und Mitarbeitenden sollten in die künftige Planungen einbezogen werden.

Moss SJ, Krewulak KD, Stelfox HT, Ahmed SB, Anglin MC, Bagshaw SM, Burns KEA, Cook DJ, Doig CJ, Fox-Robichaud A, Fowler R, Hernández L, Kho ME, Kredentser M, Makuk K, Murthy S, Niven DJ, Olafson K, Parhar KKS, Patten SB, Rewa OG, Rochwerg B, Sept B, Soo A, Spence K, Spence S, Straus S, West A, Parsons Leigh J, Fiest KM. Restricted visitation policies in acute care settings during the COVID-19 pandemic: a scoping review. Crit Care. 2021 Sep 25; 25(1): 347.

Positionspapier zu Angehörigenbesuche während Pandemien

Die Sektionen Ethik und Psychologische Versorgungsstrukturen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) haben ein Positionspapier zur Regelung von Angehörigenbesuchen in Krankenhäusern während Pandemien herausgegeben, in dem die Wichtigkeit der Angehörigen für die PatientInnen, aber auch das behandelnde Team herausgestellt wird. Teresa hat hier als Projektleitung ausgezeichnete Arbeit geleistet!

Deffner T, Hierundar A, Knochel K, Münch U, Neitzke G, Nydahl P, Rogge A (2021) Positionspapier zur Regelung von Angehörigenbesuchen in Krankenhäusern während Pandemien

Fatigue

Fatigue/Müdigkeit wird als ein überwältigendes, anhaltendes Gefühl der Erschöpfung beschrieben, welches kaum durch Schlaf gelindert und zu einer verminderten Fähigkeit führt, körperliche und geistige Arbeit in gewohntem Umfang zu verrichten. Diese qualitative Studie berichtet über die Erfahrungen von Betroffenen nach einer kritischen Erkrankung. Die Ergebnisse verdeutlichen die erheblichen Auswirkungen auf das Leben von Betroffenen und ihren Familien/FreundInnen. Die wichtigsten Punkte: Müdigkeit/Fatigue ist für jeden anders (z.B. mental, körperlich, kognitiv, fluktuierend, abnehmend, konstant, etc.), das Symptom äußert sich vielfältig in allen Aspekten des Lebens und entsprechend fanden Betroffene unterschiedliche Methoden zum Management (z.B. Garten/Natur, Übungstherapie, Erholung, Pacing, soziale Unterstützung, etc.) teilweise aber auch erfolglos. Die Anerkennung von Fatigue/Müdigkeit durch das Personal des Gesundheits- und Sozialwesens und die Bereitstellung von personalisierten Informationen und Management für PatientInnen und ihre Familien könnten die Erfahrungen und Lebensqualität verbessern (Zusammenfassung erstellt durch Sabrina Eggmann).

Bench S, Czuber-Dochan W, Shah A, Stayt L. Exploring adult critical illness survivors' experiences of fatigue: A qualitative study. J Adv Nurs. 2021 Aug 7. doi: 10.1111/ jan.14995.

Fatiguesymptome im ersten Jahr

Neufeld et al (2021) aus den USA führten eine Längsschnittforschung über die Fatigue von 501 ARDS-Überlebenden nach der Intensivstation 6 und 12 Monate nach der Entlassung durch. Es erlebten 70% und 66% der PatientInnen schwere Fatiguesymptome. Andere Symptome waren eingeschränkte körperliche Funktion (50%), Angstzustände (42%) und Depressionen (36%). Nach der Analyse von Co-Faktoren hatten die Schwere der Erkrankung und ähnliche Faktoren weniger Einfluss auf die Fatigue, aber schlimmere körperliche, kognitive und psychische Gesundheitsprobleme.

Neufeld KJ, Leoutsakos JS, Yan H, Lin S, Zabinski JS, Dinglas VD, Hosey MM, Parker AM, Hopkins RO, Needham DM. Fatigue Symptoms During the First Year Following ARDS. Chest. 2020 Sep; 158(3): 999-1007.

Übergänge der Pflege

Von der Intensivstation entlassen zu werden, ist nur der Anfang der Reise, sagen einige PatientInnen. Haines et al (2021) führten 86 Interviews mit ehemaligen PatientInnen und Fachpflegenden von drei Kontinenten (Nordamerika, Europa, Australien) durch, um mehr über Probleme während des Übergangs von der Intensivstation in die Gemeinschaft zu erfahren. Es gab Herausforderungen für die PatientInnen, mit dem Gesundheitssystem zu interagieren, und mehrere Lücken in der Versorgung. Es war auch schwierig, die Erwartungen anderer an Krankheit und Genesung zu bewältigen; Angehörige hatten Kommunikationsschwierigkeiten mit dem Gesundheitssystem und erlebten Defizite und mangelnde Unterstützung. Die Problemlösung hing von persönlichen Ressourcen, Unterstützung und Akzeptanz ab. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass ein angepasster Versorgungspfad für PatientInnen und Pflegekräfte sehr hilfreich wäre, aber mehr Forschung erfordert, um eine optimale Form zu entwickeln.

Haines KJ, Hibbert E, Leggett N, Boehm LM, Hall T, Bakhru RN, Bastin AJ, Butcher BW, Eaton TL, Harris W, Hope AA, Jackson J, Johnson A, Kloos JA, Korzick KA, Mactavish P, Meyer J, Montgomery-Yates A, Quasim T, Slack A, Wade D, Still M, Netzer G, Hopkins RO, Iwashyna TJ, Mikkelsen ME, McPeake J, Sevin CM; Society of Critical Care Medicine’s Thrive Initiative. Transitions of Care After Critical Illness-Challenges to Recovery and Adaptive Problem Solving. Crit Care Med. 2021 Nov 1; 49(11): 1923-1931.

Psychologische Störungen und Medikationsbedarfe vor und nach der Intensivstation

Die Häufigkeit von psychologischen Störungen und die Medikationsbedarfe nach einer kritischen Erkrankung sind mittlerweile bekannt, aber wie ist das in dem Zeitraum vor der Aufnahme auf der Intensivstation? Wir wissen, dass sich viele PatientInnen in dem Jahr vor der Aufnahme körperlich verschlechtern, aber tun sie dies auch psychisch? Olafson et al (2021) aus Kanada haben zwei Bevölkerungsruppen mit und ohne Krankenhausaufnahme untersucht, beide Gruppe > 140.000 Personen. Im Ergebnis konnten 49.439 PatientInnen analysiert werden, die eine Intensivaufnahme erlitten. Hierbei wurden nicht nur die üblichen Faktoren wie Angst, Depression und PTBS untersucht, sondern auch Psychosen, Substanzmittelabusus und andere. Die Häufigkeit von psychischen Störungen vor vs. nach der Aufnahme lag bei 41,5% vs. 55,6%. IntensivpatientInnen nahmen im Vergleich zu Personen, die nicht intensivpflichtig wurden, signifikant mehr Antidepressiva, Anxiolytika und Beruhigungsmittel vor und nach der Intensivstation ein. Die AutorInnen schlussfolgern: Die Ergebnisse unterstützen die Notwendigkeit von präventiven und therapeutischen Strategien zur Verbesserung der mentalen Gesundheit in diese vulnerablen Population.

Olafson K, Marrie RA, Bolton JM, Bernstein CN, Bienvenu OJ, Kredentser MS, Logsetty S, Chateau D, Nie Y, Blouw M, Afifi TO, Stein MB, Leslie WD, Katz LY, Mota N, El-Gabalawy R, Enns MW, Leong C, Sweatman S, Sareen J. The 5-year pre- and post-hospitalization treated prevalence of mental disorders and psychotropic medication use in critically ill patients: a Canadian population-based study. Intensive Care Med. 2021 Sep 8.

PICUPS I & II

Puthucheary et al (2021) aus dem Vereinigten Königreich entwickelten ein Hilfsmittel, um die Rehabilitationsbedürfnisse von kritisch kranken PatientInnen zu identifizieren und testeten dieses auch. Das Post-ICU Presentation Screen (PICUPS) Hilfsmittel beinhaltet Aspekte der a) medizinischen und grundlegenden Versorgung, b) Atmung und Ernährung, c) Bewegung, d) Kommunikation, Kognition und Verhalten. Die Rehabilitation kann mit einer individuellen Rehabilitationsverordnung verschrieben werden und ermöglicht interprofessionelle Rehabilitation. Das Hilfsmittel kann auch mit, bzw. ohne Covid-19 Infektion genutzt werden. Anmerkung: Die Rehabilitation in dem Vereinigten Königreich ist noch relativ unstrukturiert und schwierig, daher ist die Entwicklung entsprechender Hilfsmittel wichtig für die Bevölkerung. Das Hilfsmittel könnte aber auch für uns wichtig sein, da es auch das Post Intensive Care Syndrom erfasst.

Turner-Stokes L, Corner EJ, Siegert RJ, et al. The post-ICU presentation screen (PICUPS) and rehabilitation prescription (RP) for intensive care survivors part I: Development and preliminary clinimetric evaluation. Journal of the Intensive Care Society. February 2021.

Puthucheary Z, Brown C, Corner E, et al. The Post-ICU presentation screen (PICUPS) and rehabilitation prescription (RP) for intensive care survivors part II: Clinical engagement and future directions for the national Post-Intensive care Rehabilitation Collaborative. Journal of the Intensive Care Society. February 2021.

Verfasst von:

Dr. Teresa Deffner, Dipl.-Rehapsych. (FH), Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena

Dr. Peter Nydahl, RN BScN MScN, Pflegeforschung; Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel

Kristin Gabriel, Dipl. Medienwirtin, BA Kunsthistorikerin, Köln

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