Covid & Familien

Humanising Critical Care

Karin Weber, Kate Tantam und Peter Nydahl organisieren die virtuelle Subkonferenz "Humanising Critical Care" im Rahmen der nächsten BACCN Conference 2021 am 13. und 14. September 2021. HauptrednerInnen sind Dale M. Needham, Kate Tantam und andere. Die englischsprachige Konferenz ist virtuell und Ihr könnt aus der ganzen Welt teilnehmen. NEU: Ihr könnt auch Rehab-Videos einreichen! Die Top-5 Videos werden während der Konferenz präsentiert, das beste Video wird prämiert (max. 3 Min., Datei-Format: mp4, mit Einverständnis-Erklärungen usw.) Hier gibt es alle Infos zu „Humainsing Critical Care”.

Tagebuchsammlung in Intensive & Critical Care Nursing

Das englischsprachige Journal ICCN veröffentlichte eine Artikelsammlung über Tagebücher, darunter 15 Studien über Intensivtagebücher. Die Sammlung wurde von Christina Jones herausgegeben. Sie gibt einen Überblick über 20 Jahre Tagebuchforschung auf der Intensivstation. Christina weist auf einige sehr interessante offene Forschungsfragen hin. Junge ForscherInnen und StudentInnen: Das ist Eure Chance! 

Jones C. Over 20 years of ICU diary research 1999-2020. Intensive Crit Care Nurs. 2021 Mar 6: 102961.

Studien zum Intensivtagebuch

Wahrnehmung von Tagebüchern durch PatientInnen

Die Evidenz für die Tagebücher ist in einigen Aspekten widersprüchlich, und es bleibt unklar, was die besten Effekte auf PatientInnen sein können. Barreto et al (2021) führten eine systematische Überprüfung und qualitative Datensynthese zu qualitativen Studien über die Erfahrung von PatientInnen beim Lesen eines Intensivtagebuchs durch. Datenbanken waren PubMed, Ovid, EMBASE und EBSCO. Im Ergebnis konnten 17 Studien analysiert werden. Die PatientInnen machten meist positive Erfahrungen mit einem Tagebuch. Das Lesen eines Tagebuchs führte zu einem besseren Verständnis kritischer Krankheiten, dem Weg der Genesung, der Entwicklung von Kohärenz erschreckender Erinnerungen, der Erkenntnis der Bedeutung der Anwesenheit von Familien und der Humanisierung von Fachkräften im Gesundheitswesen. Aus der Sicht der PatientInnen waren Fotografien und das Lesen des Tagebuchs mit Fachpersonal wichtige Bestandteile. Diese Erkenntnisse können die Standardisierung von Intensivtagebüchern verbessern, was eher zu einer vergleichbareren Forschung führen kann.

Brandao Barreto B, Luz M, Alves Valente do Amaral Lopes S, Goulart Rosa R, Gusmao-Flores D. Exploring Patients' Perceptions on ICU Diaries: A Systematic Review and Qualitative Data Synthesis. Crit Care Med. 2021 Apr 5. doi: 10.1097/ CCM.0000000000005019.

Bedeutung des Intensivtagebuches für schreibende Angehörige

Eine hervorragende Übersicht über die Bedeutung des Intensivtagebuches für schreibende Angehörige geben Schofield et al., indem sie die bestehende Evidenz systematisch zusammentrugen und eine thematische Analyse der quantitativen und qualitativen Studien vornahmen. Insgesamt 16 Studien konnten in die Analyse integriert werden. Das Tagebuchschreiben erfüllte für die Angehörigen unterschiedliche Funktionen:

  1. Coping: Das Tagebuchschreiben half den Angehörigen mit ihren Emotionen umzugehen und diese im Tagebuch „abzulegen“. Ebenso unterstützte es ihre Selbstwirksamkeit, da sie selbst durch das Tagebuchschreiben handeln und eine Aufgabe für den PatientInnen übernehmen konnten.

  2. Verbindung: Das Tagebuch ermöglicht eine Verbindung zwischen PatientIn und Angehörigen, fördert aber auch die Verbindung zwischen Angehörigen und dem Personal.

  3. Ein Narrativ entwickeln: Das chronologische Aufschreiben ermöglicht eine Geschichte zu formen und trägt zum Verständnis der Situation bei. Zudem wird das Tagebuch auch als Erinnerungshilfe genutzt.

Die Recherche zeigte, dass qualitative Studien thematische Aspekte enthielten, die bisher nur unzureichend in quantitativen Arbeiten erfasst werden konnten.

Schofield R, Dibb B, Coles-Gale R, Jones CJ. The experience of relatives using intensive care diaries: A systematic review and qualitative synthesis. Int J Nurs Stud. 2021 Mar 19; 119: 103927.

Umsetzung und Durchführbarkeit von Intensivtagebüchern

McCartney (2020) veröffentlichte einen Übersichtsarbeit über Intensivtagebücher und diskutierte Faktoren, die zur Umsetzung und Machbarkeit beitragen. Bei der Planung und Durchführung eines Implementierungsprogramms sollten die Auswahl, der Inhalt des Tagebuchs, die Einbeziehung der Familie und die Wahrnehmung des Personals berücksichtigt werden. Die meisten MitarbeiterInnen sind sich einig, dass Tagebücher von Vorteil sind, aber sie brauchen Bildung, Training und Zeit. Die Compliance der MitarbeiterInnen kann durch die Bereitstellung von Richtlinien, das Schreibregeln, Beispieleinträgen und andere erhöht werden. Die Übersichtsarbeit von McCartney ist eine Art Implementierungsleitfaden.

McCartney E. Intensive Care Unit Patient Diaries: A Review Evaluating Implementation and Feasibility. Crit Care Nurs Clin North Am. 2020.

Ein besonderer Fallbericht

Einen authentischen und sehr lesenswerten Bericht über die Bedeutung des Intensivtagebuches schreiben der ehemalige Patient Jannik Kuzma und Peter Nydahl. Die prägnante Zusammenfassung aktueller Befunde zur Wirksamkeit des Tagebuches wird ergänzt durch den Erfahrungsbericht eines ehemaligen Patienten nach schwerem SHT, für den die Familie insgesamt drei Tagebücher schrieb und ein Fotoalbum erstellte. Der ehemalige Patient selbst sagt zum Tagebuch: „Heute kann ich sagen, dass das Tagebuch eine unfassbare Hilfe, Stütze und Chance für PatientInnen sein kann und für mich auch war bzw. ist. Es war eine Zeit, die auch und vor allem durch das Tagebuch ein stückweit aufgearbeitet und so erträglicher geworden ist.“ Der Artikel von Nydahl und Kuzma ist somit eine perfekte Literatur- und Motivationsgrundlage, um das Intensivtagebuch auf seine Station zu bringen, da er aktuelle Evidenz mit einem überzeugenden und sehr bewegenden Statement zur Bedeutung des Tagebuches verbindet.

Nydahl P, Kuzma J. Tagebücher für kritisch kranke Patienten. Med Klin Intensivmed Notfmed 2021 (116): 210-215.

Implementierung in Deutschland

Lisa Renneis aus Mannheim (2021) wollte das Intensivtagebuch auf einer Intensivstation implementieren. Sie hat vorher eine Projektgruppe gegründet und dann das Pflegepersonal zur Arbeitsbelastung und zum Implementierungswillen systematisch befragt. Fast wie zu erwarten, war zwar das Interesse da, aber die Arbeitsbelastung wurde als sehr hoch bewertet. Eine Aussage war: „Bei bestehender Arbeitsbelastung sollte das Pflegepersonal nicht damit belastet werden, sondern eher ein Angebot für Angehörige sein.“ Das Team hat sich dann dazu entschieden, den Angehörigen Tagebücher anzubieten und sie dabei zu beraten und anzuleiten. Auch dafür gibt es eine Evidenz durch die Forschungsarbeiten von Nielsen et al. Nach weiteren Abklärungen durch die Rechtsabteilung usw. konnte das Projekt erfolgreich gestartet werden. Natürlich wäre eine aktive Beteiligung der Pflegenden wünschenswert gewesen, aber wenn die Alternative gar kein Tagebuch ist, kann dies ein sinnvoller Kompromiss darstellen. Tolle Arbeit und ein wohl verdienter Pflegepreis! Das Tagebuch von Frau Renneis und dem Team ist auch hier zu finden unter Vorlagen.

Renneis L. Intensivtagebuch – Implementierung trotz hoher Arbeitsdichte. intensiv 2021 (29): 130-136.

Tagebücher in der Pädiatrie

In einem Scoping-Review analysieren Sansone et al. in 36 Studien das Schreiben narrativer Tagebücher in der Pädiatrie, die dort vor allem für/ bei Kindern mit chronischen Erkrankungen geschrieben werden. Je nach Fokus und Alter des Kindes werden die Tagebücher von den Eltern oder den Kindern selbst geschrieben. Sie ermöglichen dem Leser einen Einblick in die Krankheitserfahrungen und Bewältigungsstrategien der Familien. Tagebücher wurden unterschiedlich genutzt: Entweder als Dokumentationshilfe beispielsweise um die Medikation des Kindes im Blick zu behalten.  Oder als Intervention für Verbesserungen des Zustandes des Kindes, indem Informationen von allen behandelnden Disziplinen und der Therapie zusammengetragen werden und damit förderliche sowie hinderliche Elemente der Therapie festgestellt werden können. Damit erfüllt das Tagebuch einen wichtigen Zweck: Es reduziert die Lücke zwischen den Professionellen und den Betroffenen. Besonders Jugendliche fühlen sich durch das Tagebuchschreiben mehr einbezogen, wodurch die Therapieadhärenz erhöht wird. Zudem kann das Tagebuch detektieren an welchen Stellen sich Widersprüche oder Optimierungspotentiale in der Behandlung ergeben. Wenn Kinder selbst die Tagebücher schreiben, kann erschlossen werden womit sich Kinder im Kontext ihrer Erkrankung beschäftigen, was wiederum eine Grundlage für Unterstützungsangebote sein kann. Die meisten der analysierten Tagebücher wurden nach wie vor auf Papier geschrieben, aber auch elektronische Formate kamen zum Einsatz. Die AutorInnen schließen, dass Tagebücher im pädiatrischen Bereich ein flexibles Tool sind, welches für unterschiedliche Zwecke genutzt werden kann. Zukünftig sollte die Relevanz des Tagebuches auf das Outcome pädiatrischer PatientInnen untersucht werden.

Sansone V, Dall'Oglio I, Gesualdo F, Cancani F, Cecchetti C, Di Nardo M, Rossi A, De Ranieri C, Alvaro R, Tiozzo E, Gawronski O. Narrative diaries in pediatrics: A scoping review. J Pediatr Nurs. 2021 Feb 20: S0882-5963(21)00047-6.

Relevante Studien

Kinder als Besucher

Kinder als BesucherInnen in erwachsenen Intensivstationen werden häufiger, aber die Evidenz für die psychologischen Auswirkungen bleibt unklar. Lamiani et al (2021) führten eine systematische Literaturrecherche durch und identifizierten 5 Studien inkl. 141 Kindern und Jugendlichen. Ein Besuch auf der Intensivstation ermöglichte ein besseres Verständnis, was wirklich auf der Intensivstation vor sich geht und unterstützte die Beziehung zu den PatientInnen. Der Besuch wird von persönlichen und organisatorischen Merkmalen beeinflusst. Die meisten Kinder können Angst und Depressionen erleben, unabhängig von der Visitation. Ein Besuch könnte ein potenziell traumatisches Erlebnis für Kinder sein, vor allem, wenn es keine angemessene Vorbereitung oder Unterstützung gibt. Die AutorInnen schlagen eine Vorbereitung und Unterstützung von Kinderbesuchen vor. Hinweis: Die meisten Erwachsenen brauchen dies auch!

Lamiani G, Bonazza F, Del Negro S, Meyer EC. The impact of visiting the Intensive Care Unit (ICU) on children's and adolescents' psychological well-being: A systematic review. Intensive Crit Care Nurs. 2021 Mar 25:103036.

Besuch & Familienkommunikation

Boulton et al . (2021) führten während der COVID-19 an 134 Intensivstationen im Vereinigten Königreich eine Umfrage durch, um die Besuchsregelungen und die Familienkommunikation zu bewerten. Im Ergebnis erlaubten 22 % der ICUs  keine Besucher, 53 % hatten nur Besucher bei PatientInnen am Ende des Lebens, 22 % erlaubten Besucher für besonders vulnerable PatientInnen oder jenen am Lebensende. 55% gaben täglich Updates für Familien, 47% nutzten Videoanrufe und 29% hatten Familienkommunikationsteams.

Boulton AJ et al. Intensive care unit visiting and family communication during the COVID-19 pandemic: A UK survey. Journal of the Intensive Care Society 2021.

Auswirkungen von Covid auf Familienprojekte

Viele familienbezogene Projekte wurden geplant, aber dann kam Covid. Hwang et al. führten eine Umfrage an 27 Intensivstationen in den Vereinigten Staaten und Südkorea durch und fragten nach dem Status familienzentrierter Projekte. Aufgrund der Pandemie wurden 90% der Projekte gestoppt und nur 10 % der Projekte fortgeführt: Palliative Extubation und schriftliche Zusammenfassungen für Familien, also Projekte, die mit der Pandemie kompatibel waren. 54% der MitarbeiterInnen nutzten eigene Geräte für Familienvideokonferenzen und es gab beträchtliche Unterschiede in den Besuchsregelungen.

Hwang DY, Zhang Q, Andrews A, LaRose K, Gonzalez M, Harmon L, Vermoch K. The Initial Impact of the Coronavirus Disease 2019 Pandemic on ICU Family Engagement: Lessons Learned From a Collaborative of 27 ICUs. Crit Care Explor. 2021 Apr 2; 3(4): e0401.

PICS bei ehemaligen COVID19-PatientInnen

Martillo et al. untersuchten von April bis Juli 2020 in einer Single-Center-Kohortenstudie 45 COVID19-Überlebende 1 Monat nach intensivmedizinischer Behandlung. PICS-Symptome wurden mit der Modified Rankin Scale, Dalhousie Clinical Frailty Scale, Neuro-Quality of Life Upper Extremity and Lower Extremity Function, Neuro-Quality of Life Fatigue Skala für physische Symptome, der Insomnia Severity Scale, Patient Health Questionnaire-9 and Posttraumatic Stress Disorder Checklist für psychische Symoptome und Telephone Montreal Cognitive Assessment für kognitive Störungen erhoben. 91% der Befragten wiesen Folgesymptome auf, von denen 48% den Bereich psychischer Symptome betrafen. Dabei waren Symptome depressiver Störungen (38% leichte, 18% mittelgradige bzw. schwere) und in 18% der Fälle auch klinisch relevante Symptome einer PTSD zu beobachten. Die AutorInnen weisen abschließend auf die Notwendigkeit einer strukturierten Nachsorge dieser Patientengruppe hin.

Martillo M, Dangayach N, Tabacof L, Spielman LA, Dams-O'Connor K, Chan CC, Kohli-Seth R, Cortes M, Escalon MX. Postintensive Care Syndrome in Survivors of Critical Illness Related to Coronavirus Disease 2019: Cohort Study From a New York City Critical Care Recovery Clinic. Crit Care Med. 2021 Mar 16.

PICS und PICSp

In einem Leitartikel diskutieren D. Flaws und J.C. Manning das Post-Intensiv-Care Syndrom (pädiatrisch) über die gesamte Dauer des Lebens in pädiatrischen und erwachsenen PatientInnen. Sie berichten über mehrere ähnliche, aber auch unterschiedliche veränderbare und nicht veränderbare Risikofaktoren in pädiatrischen und erwachsenen Populationen. Am wichtigsten: Die Präferenzen für bestimmte Outcomeparameter änderten sich in beiden Gruppen von Überleben samt intakter Körperfunktionen immer mehr zu „positive Erfahrungen, wie das Gefühl geschätzt zu werden, das Leben mit mehr Bedeutung und verbesserte Beziehungen" oder „positive Aspekte für das Kind beziehen sich auf den sozialen Gesundheitsbereich, ein höheres Maß an wahrgenommener Widerstandsfähigkeit und prospektiver Lebenseinstellung". Zum Nachdenken.

Flaws D, Manning JC. Post intensive care syndrome across the life course: Looking to the future of paediatric and adult critical care survivorship. Nurs Crit Care. 2021 Mar; 26(2): 64-66

Ein anderer Fokus: Positive Kommunikation auf COVID-Intensivstationen in der Pandemie

In einer Übersichtsarbeit empfehlen Karnatoskaja et al. Strategien zur Stärkung der Resilienz für MitarbeiterInnen auf Intensivstationen und geben konkrete Handlungsempfehlungen für die Reduktion von Distress bei PatientInnen sowie die Implementierung einer positiven Kommunikation. Reduktion von Distress:

  1. Eigene Psychohygiene praktizieren

  2. Schlaf und Bewegung der PatientInnen unterstützen

  3. Reduktion von Nachrichten via Fernsehen und Radio

  4. Berührung der PatientInnen

  5. Nach dem Befinden der PatientInnen fragen: „Don’t just do something; stand there.“

  6. Normalisieren des Erlebens von Angst

  7. Authentische Gespräche mit PatientInnen führen

  8. PatientInnen danken, dass sie die Isolationsmaßnahmen mittragen

  9. Sich vergegenwärtigen, dass man für die PatientInnen ein Vertrauter wird/ ist

Positive Kommunikation:

  1. Persönliche Informationen über den/die PatientIn erheben

  2. Bei Visiten etwas Persönliches über den/die PatientIn erzählen

  3. Höflichkeitsformen nutzen, PatientIn begrüßen, eine gute Nacht wünschen etc.

  4. PatientIn in der Isolation die Sicherheit vermitteln, dass sich gut um ihn gekümmert wird und er/sie nicht allein ist

  5. Sich als Team trotz PSA erkennbar machen z.B. durch Fotos auf der PSA.

Karnatovskaia LV, Johnson MM, Varga K, Highfield JA, Wolfrom BD, Philbrick KL, Ely EW, Jackson JC, Gajic O, Ahmad SR, Niven AS. Stress and Fear: Clinical Implications for Providers and Patients (in the Time of COVID-19 and Beyond). Mayo Clin Proc. 2020 Nov; 95(11): 2487-2498.

Erfassung eines patientenorientierten Outcomes nach kritischer Erkrankung

Viele Fragebogeninstrumente erfassen die Symptome ehemals kritisch kranker PatientInnen nur unzureichend. Die AutorInnen um Malmgren et al. entwickelten daher basierend auf einer Interviewstudie mit 32 ehemals kritisch kranken PatientInnen einen Fragebogen, der insgesamt 13 Domänen erfasste: Kognition, Fatique, physische Gesundheit, Schmerz, psychische Gesundheit, Aktivitäten des täglichen Lebens, Schlaf, Appetit und Alkohol, Sexualität, Sensorik, gastrointestinale und urologische Funktionsfähigkeit, Arbeitsleben. Die aus den Domänen resultierenden Fragen wurden dann in einer Stichprobe von 395 ehemals kritisch kranken PatientInnen und 195 Personen ohne intensivmedizinische Behandlung (Normalbevölkerung) getestet. In allen Dimensionen zeigten sich ein signifikant verändertes Antwortverhalten zwischen den beiden Gruppen, woraus die AutorInnen schlussfolgern, dass die Dimensionen geeignet sind, um die verschiedenen Symptome ehemals kritisch kranker PatientInnen zu erfassen. Eine differenzierte Auswertungsstrategie dürfte diesem Instrument jedoch ebenso fehlen wie Vergleichsstichproben.

Malmgren J, Waldenström AC, Rylander C, Johannesson E, Lundin S. Long-term health-related quality of life and burden of disease after intensive care: development of a patient-reported outcome measure. Crit Care. 2021 Feb 25; 25(1): 82.

Einfluss der Besucherrestriktionen auf die postoperative Patientenzufriedenheit

Die negativen Auswirkungen von Besucherrestriktionen werden bereits seit Beginn der Pandemie thematisiert, allerdings fehlen bisher Daten zu den Erfahrungen der PatientInnen und Angehörigen. Zeh et al. untersuchten 117 operativen PatientInnen, die COVID-negativ waren. In einer prä-post-Studie wurden PatientInnen vor und nach der Einführung eines Besuchsverbotes zu ihrer Gesamteinschätzung des Aufenthaltes sowie zur Erfahrung der Verlegung befragt. Zudem wurde in zwei offenen Fragen erhoben, wie die PatientInnen die Möglichkeit/das Verbot Besuch zu erhalten, empfanden. PatientInnen, die keinen Besuch erhalten durften, waren deutlich und signifikant unzufriedener in ihrer Gesamteinschätzung des Aufenthaltes (66% Zufriedenheit vs. 80.7% Zufriedenheit in der Besuchsgruppe). Zudem schätzten sie auch die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und der der Angehörigen als geringer ein (54,2% adäquate Bedürfnisberücksichtigung vs. 79,3% in der Besuchsgruppe). PatientInnen, die keinen Besuch erhalten durften, brachten Gefühle von Einsamkeit und Isolation zum Ausdruck. Die AutorInnen schließen, dass die Befragung die hohe Relevanz von Besuchen für PatientInnen unterstreicht und im Rahmen der Pandemie neue Strategien gefunden werden müssen, um die Erfahrungen von PatientInnen nach Operationen zu verbessern.

Zeh RD, Santry HP, Monsour C, Sumski AA, Bridges JFP, Tsung A, Pawlik TM, Cloyd JM. Impact of visitor restriction rules on the postoperative experience of COVID-19 negative patients undergoing surgery. Surgery. 2020 Nov;168(5):770-776. doi: 10.1016/j.surg.2020.08.010.

Selbstmanagement von Angst

Viele Überlebende kritischer Krankheiten leiden unter Angstzuständen, Depressionen und PTSD. Hosey et al (2021) aus den USA führten eine Machbarkeitsstudie über eine psychologische Intervention zur Selbstbewältigung von Angstzuständen bei PatientInnen nach akuter Ateminsuffizienz durch. Alle 11 PatientInnen erhielten eine psychologische Intervention, einschließlich Edukation und Zielsetzung, Problemlösung, Umstrukturierung, Entspannungstraining und andere. Vier PatientInnen absolvierten nicht alle 6 Sitzungen (Tod, Entlassung). Die Angst verringerte sich von dem Zeitpunkt vor der Intervention 70 (IQR 57-75) auf 44 (19-48) nach der Intervention. Die Intervention scheint machbar und sicher zu sein, um Angst während und nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation zu reduzieren und zu bewältigen!

Hosey MM, Wegener ST, Hinkle C, Needham DM. A Cognitive Behavioral Therapy-Informed Self-Management Program for Acute Respiratory Failure Survivors: A Feasibility Study. J Clin Med. 2021 Feb 20; 10(4): 872.

14 Instrumente zur Beurteilung des Stress bei IntensivpatientInnen

Mit Hilfe einer Übersichtsarbeit identifizierten Kusi-Appiah et al (2021) 14 verschiedene Werkzeuge zur Beurteilung von akutem Stress bei IntensivpatientInnen. Werkzeuge waren IPAT, ORKB, BSI, FAS, CCNAIMS, ICUESS, SSSAS, DEICU, ICU-CSQ, VAS-A, ALI, HADS, PSQ, ESQ, die hauptsächlich zur Bewertung von Angstzuständen, Depressionen und ICU-Stressoren verwendet wurden. Die Tools verfügen über verschiedene Gültigkeits- und Zuverlässigkeitsmetriken. Angesichts der hohen Prävalenz von Stress ist hier mehr Forschung nötig. Anmerkung: PTSD ist kein Stress, der akut auf der Intensivstation auftritt, sondern erst danach (POSTtraumatic) und deswegen von den AutorInnen auch nicht berücksichtigt wurde.

Kusi-Appiah E, Karanikola M, Pant U, Meghani S, Kennedy M, Papathanassoglou E. Tools for assessment of acute psychological distress in critical illness: A scoping review. Aust Crit Care. 2021 Feb 26: S1036-7314(20) 30351-9.

Buchtipp: Haynes K, McPeake J, Sevin CM (ed) (2021) Improving Critical Care Survivorship

Dieses englischsprachige Buch bietet einen umfassenden Überblick über die Verbesserung der Überlebensfähigkeit von IntensivpatientInnen. Der Text besteht aus vier Abschnitten und enthält Interventionen, die verwendet werden können, um die Ergebnisse der Intensivversorgung zu verbessern und die Belastung durch das Post-Intensiv-Care Syndrom über den gesamten Versorgungsbogen hinweg zu verringern, von der Intensivstation bis zur Rückkehr nach Hause.

Verfasst von:

Dr. Teresa Deffner, Dipl.-Rehapsych. (FH), Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena

Dr. Peter Nydahl, RN BScN MScN, Pflegeforschung; Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel

Zurück
Zurück

Studien zu Tagebüchern

Weiter
Weiter

ARDS