Unser Antrieb besteht darin, Betroffene dabei zu unterstützen, Ihre Erfahrung in ihr Leben zu integrieren

Was ist das Intensivtagebuch?

Das Intensivtagebuch ist ein Tagebuch, das während der Zeit der Bewusstlosigkeit von PatientInnen von zumeist Pflegenden und Angehörigen geschrieben wird. In dem Tagebuch werden chronologisch die Aufnahme des/der PatientIn sowie die Umstände, die zur Aufnahme geführt haben, beschrieben.

In dem Tagebuch werden auch Umweltbeschreibungen und Entwicklungsschritte notiert. Wir wissen heute, dass viele PatientInnen, auch die, die sediert werden, ein hohes Risiko für besonders intensiv erlebte Träume haben. Sie können später nicht mehr genau unterscheiden, ob sie etwas real erlebt oder nur geträumt haben. Da dies häufig sehr bedrohliche Erlebnisse sind, mündet dies nicht selten in einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auch Angehörige können davon betroffen sein. Entsprechende Beschreibungen helfen den PatientInnen später, ihre Erinnerungen zu verstehen.

Heute gilt das Tagebuch als evidenzbasierte Maßnahme mit einer lang anhaltenden Wirkung für PatientInnen: Das Tagebuch wirkt auf PatientInnen.

Einzelne Studien berichten von positiver bis sehr positiver Akzeptanz. PatientInnen zeigen ein besseres Verstehen, Begreifen und Sinngebung im Sinne der Salutogenese.

Sie können verstehen, wie es zu der tief greifenden Veränderung in ihrem Leben gekommen ist und ihre bislang unbegreiflichen Erfahrungen eher in den Griff kriegen und ihnen einen Sinn geben. Sie verstehen, warum ihnen bei geringer Anstrengung so schnell die Puste ausgeht, wenn sie lesen, dass sie eine lebensbedrohliche Lungenentzündung hatten. Sie verstehen eher den Muskelabbau und die Schlafstörungen. Entsprechend zeigt das Tagebuch einen nachgewiesenen lindernden Einfluss auf die Entstehung von posttraumatischen Belastungsstörungen, Angst und Depression.

Das Tagebuch hilft auch Angehörigen, die Situation zu bewältigen, weil sie sich ihre Sorgen und Ängste von der Seele schreiben können, sie können auch hier ihre Gefühle in Worte fassen und die Situation besser verstehen, handhaben und ihnen einen Sinn geben. Tagebuchschreiben ist eine wirksame Bewältigungsstrategie für Angehörige.

Das Team hinter Intensivtagebuch.de

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    Peter Nydahl

    Dr. rer. hum. biol. Peter Nydahl, Gesundheits- und Krankenpfleger, arbeitet am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel als Pflegewissenschaftler. Seine Interessen und Forschungsschwerpunkte sind die körperliche und psychosoziale Frührehabilitation von IntensvpatientInnen und ihren Familien. Das Interesse für Tagebücher wurde durch einen Kollegen, Dirk Knück, in 2008 angeregt und gemeinsam haben sie Tagebücher im deutschsprachigen Raum eingeführt.

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    Teresa Deffner

    Dr. rer. nat. Teresa Deffner ist Psychologin auf den operativen Intensivstationen des Universitätsklinikums Jena und betreut dort PatientInnen und Angehörige während und nach der kritischen Erkrankung.

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    Kristin Gabriel

    Kristin Gabriel, Diplom-Medienwirtin, Kunsthistorikerin und Yogalehrerin, arbeitet als selbstständige Unternehmens- und Kommunikationsberaterin. Sie hat Erfahrungen als Angehörige auf der Intensivstation gemacht und selbst ein Intensivtagebuch für ihren Partner geschrieben. Ihre persönlichen Erlebnisse haben sie motiviert, sich für die Verbreitung des Intensivtagebuchs und verwandte Themen einzusetzen. Sie gestaltet und betreut die Website Intensivtagebuch.de sowie den Instagram-Kanal.

Woher stammt das Intensivtagebuch?

Die Idee der Intensivtagebücher stammt aus Skandinavien. Dort wurden bereits Ende der 1980er Jahren Tagebücher geschrieben, um PatientInnen ganz persönlich zu unterstützen. Die ersten Tagebücher im Intensivbereich waren zunächst Fotobücher mit kurzen Notizen, erst später wurde sie vermehrt durch Texte abgelöst. Im Deutschsprachigen Raum begannen Peter Nydahl und Dirk Knück in 2008, Tagebücher zu beschreiben, zu erforschen und zu verbreiten.

Heute ist die Idee des Tagebuchs in der Fachöffentlichkeit etabliert und wird in vielen Fort- und Weiterbildungseinrichtungen auch unterrichtet. Auch in der öffentlichen Presse inkl. Tageszeitungen, Journale, Podcasts und Fernsehen wurden Tagebücher aufgenommen und beschrieben; gerade über diese öffentliche Berichterstattung sind wir sehr dankbar, weil sie die Familien anregt, mit Tagebüchern zu beginnen oder in Einzelfällen auch auf Intensivstationen zu implementieren. Vereinzelt werden auch elektronische Tagebücher geführt über Apps oder Webapplikationen, aber diese sind bislang noch in der Testphase; nach bisherigen Evaluationen schätzen die meisten PatientInnen und Familien die individuelle Handschrift auf echtem Papier mehr als maschinengeschriebene Texte.

Weltweit werden Intensivtagebücher zur familienorientierten Versorgung gezählt und gelten hier als Qualitätsindikator; in entsprechenden Umfragen werden Tagebücher auf ca. 10-20% der Intensivstationen weltweit geführt, in manchen Ländern sogar noch mehr.

„Intensivtagebücher halten das fest, was mit PatientInnen passiert während sie es nicht bewusst miterleben können und geben ihnen dadurch ein wichtiges Instrument zum Verständnis der eigenen Erkrankung und des Genesungsweges. Deswegen halte ich sie für einen unverzichtbaren Teil einer ganzheitlichen intensivmedizinischen Versorgung, die PatientInnen zurück ins Leben begleitet”.

– Dr. Teresa Deffner, Dipl.-Rehapsych. (FH), Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena

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